SRH Hochschule Heidelberg
Menschen

„Andere sind oft überrascht, dass ich Rugby spiele.”

Esther Tilgner spielt Rugby in der Nationalmannschaft und studiert an unserer Hochschule Physiotherapie. Unsere MuK-Studentin Imke Lübben hat mit ihr über die Herausforderungen im Sport und die Vereinbarkeit von Studium und Leistungssport gesprochen.

Phyisotherapy Studentin Esther steht vor dem Tower

Du bist Teil der deutschen Rugby-Nationalmannschaft. Wie bist du zu der Sportart Rugby gekommen?

Ich komme ursprünglich aus Freiburg und als ich in der achten Klasse war, hatte ich einen Englischlehrer, der ursprünglich aus Neuseeland kam und Rugby gespielt hat. Mein großer Bruder hat dann mit der Sportart angefangen und nachdem ich immer nur zugeschaut habe, wollte ich es selbst mal ausprobieren. Ich war damals zwar erst 15, aber da es in Freiburg kaum Jugendarbeit gab, durfte ich direkt in der Damenmannschaft anfangen.

Inwiefern begegnen dir Vorurteile gegenüber Frauen im Rugby?

Ich denke, es ist ein grundsätzliches Problem hier in Deutschland, dass Rugby sehr unbekannt ist und viele Menschen ein falsches Bild davon haben. Oft denken die Leute, dass es eine sehr brutale Sportart ist und man sich auf dem Platz verprügelt, was in meinen Augen wenig mit Rugby zu tun hat. Natürlich ist es eine Kontaktsportart, bei der es teilweise etwas härter zugeht, allerdings gibt es für mich wenige Sportarten bei denen Respekt, ein gutes Miteinander, Fairness und Solidarität so hoch gehalten werden wie auf und neben dem Rugbyplatz. Zusätzlich gibt es natürlich schon Vorurteile vor allem gegenüber Frauen, die Rugby spielen. Wenn ich sage, dass ich Rugby spiele, sind andere oft überrascht, weil sie denken, dass wenn überhaupt nur sehr große und kräftige Frauen Rugby spielen, die sehr breit gebaut sind. Ich finde das wirklich problematisch, weil wir meiner Meinung nach Sportarten nicht in Geschlechter und Körperstereotypen einteilen sollten.

Du bist eine unserer “starken Frauen an der Hochschule”. Welche Herausforderungen begegnen dir im Sport und wie gehst du damit um?

Dadurch, dass ich spät in den Sport eingestiegen bin und auch erst spät mit dem Leistungsfokus angefangen habe, begegnen mir natürlich leistungstechnische Herausforderungen.  Für mich war es extrem schwer, hier in Heidelberg anzufangen, weil ich nur die Basics konnte. Ich hatte noch nie etwas von Spielzügen gehört, ich hatte keine Ahnung von irgendeinem Spielsystem und war dementsprechend erstmal sehr überfordert.  Aber ich habe gemerkt, dass ich mich mit der Zeit verbessert habe und mich immer wohler gefühlt habe. Der Zeitaufwand und der körperliche Aspekt sind natürlich auch eine Herausforderung. Wir hatten eine Zeit lang jeden Morgen Training mit der Nationalmannschaft und fast jeden Abend Training im Verein. Das ist natürlich körperlich sehr anstrengend, aber dadurch konnte ich mich sehr gut weiterentwickeln.

Neben dem Leistungssport studierst du auch Physiotherapie an der SRH Hochschule Heidelberg. Wie vereinbarst du den Sport und das Studium?

Durch das Training und meine zusätzliche Tätigkeit als Jugendtrainerin stand ich quasi nonstop auf dem Platz. Dadurch fehlt natürlich viel Zeit zum Vorbereiten und Lernen. Ich habe auch oft gemerkt, dass ich während der Vorlesungen sehr müde war, aber es ging dann doch immer irgendwie. Wenn ich mal Veranstaltungen weglassen musste, konnte ich die Inhalte durch den Aufbau der Hochschule nachholen oder mit Kommiliton:innen darüber sprechen. In den Praxisphasen waren meine Arbeitgeber zum Glück immer sehr flexibel. In meinem letzten Praktikum hatte ich zum Beispiel keine Urlaubstage mehr und wir waren unter der Woche auf einem Turnier. Da waren aber alle sehr entgegenkommend und ich konnte die fehlenden Tage nacharbeiten. Das CORE-Prinzip hilft allerdings auch sehr dabei, das Studium mit dem Leistungssport zu vereinbaren. Durch das 5-Wochen-Prinzip hat man einfach kleinere Arbeitspakete, wodurch ich nie eine längere Klausurenphase hatte, die mit dem Rugby schwierig zu vereinbaren gewesen wäre. Die Hochschule ist mir zum Beispiel auch bei der Einteilung von Praxisphasen immer sehr entgegengekommen, sodass ich in Heidelberg bleiben konnte.

Welche Fähigkeiten aus deinem Studium helfen dir auch in deiner sportlichen Karriere?

Ich habe viel zu Trainingslehre und Trainingswissenschaft mitgenommen. Durch das Studium habe ich ein ganz anderes Körpergefühl und auch ein besseres Verständnis für Regenerationsphasen. Inzwischen fällt es mir manchmal schwer, einzuschätzen, was Allgemeinwissen ist und was ich durch mein Studium gelernt habe. Das merke ich auch im Team, wenn Personen auf mich zukommen und mir Fragen zu einem bestimmten Thema stellen. Ich habe inzwischen einfach ein anderes Verständnis dafür.

Letztes Jahr hattest du einen Kreuzbandriss. Nach der OP wurdest du auch physiotherapeutisch behandelt. Wie war es für dich, die Perspektive zu wechseln und selbst Patientin zu sein? Was hast du aus diesen Erfahrungen für deine eigene Karriere mitgenommen

Am Anfang war es tatsächlich etwas komisch, weil ich vorher nie länger bei der Physio war. Dadurch musste ich mich schon erstmal einfinden in der Rolle, aber das ging dann von Mal zu Mal besser. Es ging mir schon sehr schlecht, weil man einfach merkt, wie schnell etwas kaputt geht und wie viel Energie man benötigt, um sich zurückzukämpfen. Ich glaube aber, dass mir die ganze Reha und auch die OP sehr viel Verständnis für eigene Patient:innen mitgegeben hat. Es war daher auf jeden Fall eine Bereicherung für mein späteres Berufsleben, weil ich jetzt besser nachvollziehen kann, wie sich so etwas anfühlt. Natürlich habe ich auch inhaltlich an Übungen und Ideen für die Therapie viel mitgenommen und konnte ein Gespür dafür bekommen. Ich kann also auf jeden Fall auch etwas Positives aus dieser Zeit mitnehmen.

Physiotherapie Studentin Esther zeigt MUK Studentin Imke Physio Übungen